You are always on my mind.
Ich kann es nicht lassen mit den Songzeilen. Ich liebe einfach Musik und zu so ziemlich jedem Lebensthema fällt mir eine entsprechende Songzeile ein (das hab ich von meiner Oma, nur so nebenbei).
Wenn ich von der Schule komme, schnappe ich mir am liebsten den Hund und gehe eine Runde spazieren. Nirgendwo kann ich so gut runterfahren und mich sortieren, wie in der freien Natur, der Weite und der Ruhe.
Es erdet mich einfach auf allen Ebenen und ist meiner Ansicht nach, die beste Nachbereitung, die man machen kann.
Ich sortiere mich und das bedeutet: Sie gehen immer mit, meine Schülerinnen und Schüler. Ich hab sie immer dabei auf meinem Spaziergang.
Die Mama von Kristof sagte heute, er hätte jeden Tag Bauchschmerzen, wenn er in die Schule gehen soll. Was ist da los? Woran liegt das? Wie kann ich ihn im Alltag besser unterstützen? Was sind die Gründe? Amina war heute extrem aggressiv, wie gehe ich morgen damit um? Was kann ihr helfen mit ihrer Wut besser umzugehen? Wie müssen wir unsere Arbeit anpassen. Mirko fehlt andauernd, woran kann das liegen? Wo hätte ich heute besser reagieren müssen? Wo hätte ich mehr Vorbereitung gebraucht? Und wo weniger?
Du siehst, sie sind immer dabei in meinen Gedanken.
Vielleicht entsteht der Eindruck ich könne dadurch nicht abschalten, wälze Probleme oder beschäftige mich mit Dingen, die ich eh nicht ändern kann aber, das Gegenteil ist der Fall. Zumindest habe ich die Erfahrung gemacht.
Man spricht ja viel davon Beruf und Privatleben strikt zu trennen, Work-Life-Balance und so, das hat auf jeden Fall seine Berechtigung, wie so oft glaube ich aber auch, wir haben hier ein bisschen was missverstanden.
Am Anfang meiner Berufslaufbahn, habe ich auch im sogenannten Privatleben sehr oft an die Schule, also meine Schülerinnen und Schüler denken müssen. Und im Zuge dieser ganzen Work-Life-Balance-Sache, habe ich versucht das abzuschalten. Habe es mir verboten. Schließlich ist jetzt frei, ich bin zu Hause und jetzt denke ich nicht mehr über die “Arbeit” nach. Die Folge war, dass es mir emotional schlechter ging. Ich fühlte mich ausgelaugt, gestresst und erschlagen.
Was passiert, wenn wir Dinge wegdrücken? Genau, sie werden stärker, drücken mit noch mehr Kraft zurück. Was passiert, wenn wir vor etwas weglaufen? Es beginnt uns zu jagen. Das ist mir passiert.
Ich bin in so eine Art Spirale geraten aus Selbstverbot und Selbstverurteilung. Ich wollte partout “abschalten” und berufliches nicht in meiner privaten Zeit haben, habe also weggedrückt, was da in mir an Gedanken und Emotionen zum Thema Schule aufkam, habe es aber auch nicht wirklich geschafft und mich dann dafür selbst verurteilt. Du kannst es nicht! Du schaffst es nicht abzuschalten.
Noch mehr Stress.
Und dann wurde mir irgendwann bewusst, dass es so nicht funktioniert.
Wir gehen mit den Menschen und den Themen, die uns umgeben doch eine energetische Verbindung ein (das meine ich nicht spirituell sondern ganz physikalisch), wir hinterlassen, ob wir es wollen oder nicht, Abdrücke bei den anderen im System und sie auch bei uns. So eine strikte Trennung von Beruf und privat ist daher, meiner Ansicht nach gar nicht so möglich, wie wir uns das vielleicht oft wünschen. Warum wir uns diese Trennung aber wünschen, darum soll es hier gar nicht gehen, meiner Meinung nach hat es aber etwas damit zu tun, dass wie sehr oft einer Arbeit nachgehen, die uns nicht erfüllt, nicht glücklich macht, deswegen wollen wir sie auch unbedingt trennen von unserer Freizeit. (Anderes Thema!)
Bei Kindern und Jugendlichen sind diese gegenseitigen Abdrücke vielleicht sogar noch intensiver, als in anderen Bereichen. Die Schülerinnen und Schüler, mit denen ich arbeite sind doch auch immer irgendwie Teil von mir, immer ein Stück weit “meine Kinder”.
Also habe ich die Gedanken an sie auch immer mehr zugelassen. Ich wusste, wenn Portugal das Länderspiel gewonnen hat, dass Luan sich gerade riesig freut. Wenn ich beim einkaufen sehe, dass es gerade Sweatshirts mit Disney-Prinzessin gibt, dann wird Mila so lange ihre Mutter anbetteln, bis sie eins hat. Fabian hat die Vögel immer so gerne beobachtet, also dachte ich jedes Mal, wenn ich einen besonderen Vogel gesehen habe, wie ich ihm davon erzählen werde, wenn ich ihn am Montag sehe.
Was uns berührt, wird ein Teil von uns, ist zwar ein Werbespruch aber trotzdem ist er wahr. Und es ist okay das auch zuzulassen!
Keine Frage: Wenn wir spüren, dass wir aus dem Gedankenstrudel nicht mehr herauskommen, wenn wir uns nicht mehr abgrenzen können oder zu stark mitleiden mit einzelnen Kindern, dann ist es an der Zeit Schritte zu unternehmen, um da heraus zu kommen.
Das bewusste Mitnehmen der Kinder auf meinen Spaziergang ist meine Methode, um NICHT im Gedankenkarussel zu versinken. Ich räume mir bewusst Zeit ein, nehme sie bewusst mit auf diese Runde und lasse die Gedanken und Emotionen, die Fragen, die Ideen fließen in dieser Zeit. Manchmal, wenn ich sehr aufgewühlt bin, stelle ich mir auch vor, dass ich die Dinge des Tages bewusst abfließen lasse in den Boden, atme tief ein und aus und kann dann die Gedanken auch abschließen, einen Schlussstrich für heute ziehen. Damit gelingt es mir tatsächlich besser auch “Feierabend” zu machen, um dann am nächsten Tag wieder das Beste geben zu können für die Fußballfans, Disney-Prinzessinnen und Vogelbeobachter.