Lose yourself.
Oder warum es absolut Sinn macht die eigene Mitte zu verlieren.
Alle sprechen immer davon in Balance zu bleiben, oder?
Immer geht es darum in seiner Mitte zu bleiben. Im Gleichgewicht. Ich, als doppelte Waage, galt bei Bekannten sogar als Kind schon oft als die, die die Balance hält. Lange habe ich auch geglaubt, dass dies das Wichtigste sei.
Aber heute sehe ich das komplett anders.
Eines vorab: Es ist schlichtweg unmöglich immer die Balance zu halten. Vielleicht ist dies ein Konzept, dass auf diesem Planeten gar nicht vorgesehen ist, das in seiner Mitte bleiben. Es geht nicht - und das ist auch gut so.
Natürlich assoziieren wir mit dem Thema in der eigenen Mitte bleiben viel mehr, nämlich ruhig und gelassen bleiben, in der eigenen Kraft stehen, ausgeglichen sein. Man könnte auch sagen es bedeutet in Wirklichkeit immer schön in der Sicherheit der eigenen Komfortzone zu bleiben.
Immer schön easy-peasy in der sicheren eigenen Box. Nur…wo soll da das Wachstum passieren? Wo der Perspektivwechsel?
Muss man nicht aus der Mitte heraustreten, um einen anderen Blickwinkel einnehmen zu können?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es absolut wichtig ist von Zeit zu Zeit die eigene Mitte zu verlieren und damit aus der eigenen Komfortzone zu fliegen. Da kommen vielleicht Themen und Emotionen hoch, die unbequem sind.
Da spürt man vielleicht die eigene Schwäche und Machtlosigkeit bestimmten Dingen gegenüber, da spürt man vielleicht Fehler, die man gemacht hat oder es wird überproportional schmerzhaft und unangenehm. Das ist okay. Da passiert die Weiterentwicklung und da spüren wir die eigene Kraft. Es ist doch so: Wir können unsere eigene Stärke dann spüren, wenn wir uns wieder selbst in unsere Mitte zurück bringen. Wir spüren unsere Kraft aus der “Bewegung” heraus, Balance-Disbalance-Balance usw.
Und es bedeutet noch mehr für mich, denn wie immer sind wir (insbesondere wir als Lehrkräfte) auch Vorbild. Was wir vorleben, kann ein Beispiel für unsere Kinder, unsere Mitmenschen sein. Ist jemand glaubwürdig, der immer in seiner Mitte ist? Der niemals aus seinen immer gleichen Emotionen herauskommt? Nein.
Ich habe mit so manchem Konzept von Kommunikation und Pädagogik so meine Schwierigkeiten, wenn dabei bestimmte Emotionen und menschliche Facetten einfach ausgeklammert werden.
Versteh’ mich bitte richtig, es geht im Beruf absolut um Professionalität und auch im Umgang mit den Mitmenschen außerhalb des beruflichen Kontextes geht es immer um einen respektvollen Umgang. Aber das muss nicht bedeuten, dass man immer in seiner Mitte ist. Das kann bedeuten, dass man mir meine Wut, meine Verzweiflung, meine Traurigkeit ansehen kann, dass man sie spüren kann, dass man merkt: Oh, sie ist gerade nicht in innerer Balance.
ABER: Wenn ich zurück finde in meine Balance und Mitte, dann merkt man es mir eben auch an. Dann kann man das auch sehen und fühlen. Hinzu kommt, dass vor allem Kinder dann spüren, dass es in Ordnung ist die eigene Mitte von Zeit zu Zeit zu verlieren. Und dass es immer Wege zurück gibt. Sie sehen und lernen, dass wir die Kraft haben zurück zu finden in eine, für uns sichere Zone, in der es wieder Balance und Gelassenheit gibt.
Wir sind nicht das Blatt auf dem Fluss, dass von jeder kleinen Welle mitgerissen wird und sich dessen nicht wehren kann. Wir sind machtvolle Wesen (auch wenn es uns oft nicht unbedingt gefällt, aber das ist ein anderes Thema), aber wir sind eben auch keine Felsbrocken, an denen alles abprallt, die unbeweglich und starr sind. Wir sind verletzbar, wir sind brechbar und es ist wichtig, dass wir das auch sein dürfen.
Auf dem Weg zurück in deine Balance und Mitte spürst du deine Eigenmacht, aber das setzt voraus, dass du zulässt deine Mitte zu verlieren.
Von daher, lose yourself!