…the right to be wrong.
Vom Recht darauf Fehler zu machen.
Wahrscheinlich bist du PerfektionistIN. Du gibst immer 110%, du willst alle in deinem Unterricht mitnehmen, du willst, dass die Kolleginnen und Kollegen, die Schulleitung, die Eltern deine Arbeit wertschätzen und anerkennen, dass du gut bist.
Du willst high performen und zwar immer. Und dafür gibst du alles, zur Not eben auch deine Gesundheit oder deinen Seelenfrieden.
Viele Menschen in unserem Beruf sind auf die ein oder andere Art und Weise genau so. Es muss die perfekte Unterrichtsstunde sein oder die schönsten Arbeitsmaterialien, der am besten eingerichtete Klassenraum, hoch strukturiertes Classroom-Management, jede Minute getaktet und immer auf den Punkt.
Im Prinzip ist es erstmal super, wenn man sein Bestes geben will, oder? Wenn man seine ganze Energie auf die Straße bringen möchte und bereit ist jeden Tag “all in” zu gehen.
Wir müssen, meiner Ansicht nach, allerdings irgendwann ehrlich zu uns selbst sein und uns die Frage nach dem “Warum” dahinter stellen?
Warum wollen wir das alles?
Steckt dahinter in Wahrheit eine Sucht nach Anerkennung oder möchte ich das Menschen ein bestimmtes Bild von mir haben?
Steckt dahinter eigentlich eine panische Angst davor Fehler zu machen?
Haben wir möglicherweise immer das Gefühl nicht gut genug zu sein, egal was wir tun?
Können wir mit unserer machtvollen oder machtlosen Seite nicht umgehen?
Oder wollen wir uns mit unserer Sucht nach High-Performance von einem anderen Lebensbereich ablenken?
Das alles klingt erstmal abwegig, im letzten Jahr allerdings musste ich mich diesen Fragen, zum Teil notgedrungen stellen.
Und musste sie alle irgendwann ehrlicherweise mit JA beantworten.
Ja, ich suche nach Anerkennung. Ich möchte bewundert und gemocht werden.
Ja, ich habe Angst Fehler zu machen, zum einen, weil es Folgen für ein Kind haben kann, zum anderen aber auch, weil dann vielleicht andere merken, dass ich gar nicht so perfekt bin, wie ich gerne erscheinen würde.
Ja, ich habe, egal wie erfolgreich ich bin, immer irgendwie das Gefühl nicht gut genug zu sein.
Ja, ich kann es nicht aushalten in bestimmten Bereichen einfach machtlos zu sein. Und ich kann es übrigens auch nicht aushalten so eine große Macht und Wirkung über andere, insbesondere Kinder zu haben.
Und am schmerzvollsten: JA, durch meine Sucht nach Perfektion im Beruf möchte ich mich davon ablenken, dass ich oft einfach nicht glücklich bin im Leben, der Alltag mich auffrisst und ich das Gefühl habe auf der Stelle zu treten.
Es kann richtig schwierig sein und erfordert eine Menge Mut sich diesen Fragen ehrlich zu stellen. Aber vielleicht hast du auch schon gemerkt, dass man manchmal an einen Punkt im Leben kommt, an dem man ihnen nicht mehr ausweichen kann.
Vielleicht fühlst du dich ausgebrannt und deine Energie zerrinnt dir unter den Händen. Vielleicht spürst du, dass trotz all deiner Bemühungen und deiner Perfektion nichts oder nur wenig bei deinen Schülerinnen und Schülern ankommt.
Vielleicht hast du das Gefühl immer mehr und mehr zu machen und immer weniger zu erreichen.
Vielleicht fühlst du dich nach der Schule immer ausgelaugter und die Ferien reichen dir nicht mehr, um dich zu erholen oder du bist immer wieder krank oder viel länger krank als du es sonst von dir kennst.
All das könnten Anzeichen dafür sein, dass du an deiner Über-Performance zu ersticken drohst. Das klingt sehr hart, aber manchmal brauchen wir harte Worte, um einen Ausweg zu finden.
Der zunächst einmal einfachere Weg, den viele dann beschreiten ist es, in die Beschuldigung abzutauchen:
Das System ist schlecht. Die Kolleginnen und Kollegen machen ihre Arbeit nicht richtig. Die Schülerinnen und Schüler werden immer schlimmer, die Eltern sowieso. Die Leitung ist unfähig….und und und
Du kennst sie sicher, diese Beschuldigungen.
Ich kenne sie und von Zeit zu Zeit finde ich mich auch in Beschuldigungsschleifen wieder. Manchmal brauchen wir sie auch, um Druck abzulassen. Bleiben sie aber das einzige Ventil, dass wir nutzen, dann führen uns diese Beschuldigungen in eine Sackgasse und wir ändern langfristig nichts. Wir bewegen uns dann nur immer weiter runter in der Spirale.
Deshalb ist dies eben auch nur der vermeintlich einfachere Weg. Aber eben ein Weg, der nirgends hinführt.
Auch wenn der Satz so ausgelutscht ist: Es beginnt bei dir selbst. IMMER. Punkt!
Es gibt keinen Weg drum herum.
Wir haben das Recht falsch zu liegen und Fehler zu machen, das Recht den falschen Weg zu beschreiten und unperfekt zu sein, Wir haben das Recht auf all diese Fragen dort oben mit JA zu antworten.
Ja. Und dann geht es weiter. Dann können wir beginnen mit der Arbeit an uns selbst. Mit den nächsten Schritten und einem Weg, der uns vielleicht in eine andere Richtung führt.
You have the right to be wrong, dazu hat mich Joss Stone auf einem Konzert zu Beginn der Ferien inspiriert und das möchte ich euch einfach mal da lassen.
Sei mutig und frage nach deinem WARUM.
Meiner Meinung nach beginnt erst dann die Möglichkeit wirklich dein Bestes zu geben, weil du nicht mehr davon läufst vor dem Teil in dir der einfach hin und wieder falsch ist.
Ich wünsche dir einen unperfekten Start ins neue Schuljahr,
Esther.