Lehrer? Leader!

SORRY für’s nicht gendern. Es hat gerade so gut gepasst.

Lehrerin? Leaderin! Meine ich natürlich ebenfalls.

In letzter Zeit mache ich mir viele Gedanken über das Thema Lehrkraft als Führungskraft.

In meinem vorletzten Blog-Artikel bin ich auch schon einmal kurz darauf eingegangen und das Thema begegnete mir seitdem an einigen Stellen nochmal.

Wir als Lehrerinnen und Lehrer sind Führungskräfte.

Das müssen wir uns mal ganz bewusst machen. Denn was heißt das eigentlich?

Hast du dich in deinem Studium bewusst mit dem Thema der Menschenführung auseinander gesetzt? Hast du etwas gelernt über zeitgemäße Teamführung? Hast du Fortbildungen zum Thema Führungskräfteentwicklung besucht?

Bei mir ist es jetzt schon eine Zeit lang her, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass das explizit Thema war.

Natürlich kann man eine Klassenführung nicht eins zu eins mit der Teamführung von Erwachsenen in einem modernen Unternehmen vergleichen, vielleicht muss man es aber ganz bewusst trotzdem einmal tun. Um sich mit sich selbst und seinen eigenen blinden Flecken zu konfrontieren zum Beispiel.

Viele Kolleginnen und Kollegen höre ich sagen: “Also, Schulleitung würde ich auf gar keinen Fall sein wollen!”

Ist ihnen auch bewusst, dass sie dennoch Leitung sind?

Heute habe ich wieder einmal etwas Interessantes in einer Schule erlebt. Nämlich wie eine Klasse funktioniert, in der die Klassenleitung KEINE deutliche Führungskraft ist. Spannend!

Der Kollege, so viel sei vorab gesagt, ist ein Herz von einem Menschen! Er möchte die Kinder motivieren, er wird nicht laut, er sieht ihr Potential, er möchte ihnen nichts durch schlechte Noten verbauen. So jemanden wünscht man sich. Aber es gibt eine entscheidende Herausforderung und die heißt: Führungsverantwortung übernehmen!

Regeln und Konsequenzen sind schwammig, Gesprächsregeln und ein respektvoller Umgangston werden nicht eingefordert, ebenso wenig, wie der Fokus auf das Unterrichtsgeschehen.

Was ist die Folge? Einige Kinder springen in die (nicht ausgefüllte) Führungsrolle. Systemisch sehr spannend zu beobachten. Kinder beginnen andere Kinder zu reglementieren oder zu verpetzen oder fordern gezielt ein, dass der Lehrer etwas tut.

“Wieso muss Amina ihre Jacke nicht an die Garderobe hängen?”

“Warum muss Paul sein Frühstück nicht wegpacken?”

“Du sollst jetzt in deinem Heft weiter arbeiten, Johanna.” usw.

“Petze!”, habe ich dann heute auch des Öfteren gehört.

Andere Kinder reagieren überhaupt nicht mehr auf, das was gesagt wird und machen durchgängig “ihr Ding”. Spielen, malen, im Atlas blättern (obwohl gerade Mathe-Unterricht ist), sich mit dem Nachbar unterhalten.

Manche Kinder kommen trotzdem gut mit. Sie können quasseln und trotzdem aufnehmen, was da gerade passiert. Aber das sind die Wenigsten. Eine nicht (adäquat) ausgefüllte Führungsrolle hat also Konsequenzen auf mehreren Ebenen.

Lernen. Verhalten. Fokus. Klassengemeinschaft. Regelbewusstsein… das sind nur einige davon.

Ein anderes Extrem, das ich auch schon öfter in Klassen gesehen habe ist Drill!

Auch Drill ist keine Menschenführung, meiner Ansicht nach. Es ist eine Art Konditionierung. Wenn es Regeln im Übermaß, exorbitante und unverhandelbare Konsequenzen und eine Überstrukturierung gibt, dann fehlt Freiraum für Entfaltung und Kreativität. Dann herrscht sehr oft Angst.

Genau da sehe ich ein Problem. Wir haben es nicht gelernt, die Führungskompetenz. Vielleicht sind wir unsicher oder mit uns selbst nicht Klar und schwanken deshalb immer wieder zwischen zwei Extremen. Vielleicht haben wir uns auch in einem der beiden Extreme verloren, können gar nicht mehr führen oder nur noch drillen.

Vielleicht haben wir unbewusst Muster von eigenen Lehrerinnen und Lehrern oder Eltern übernommen und wenden diese jetzt unreflektiert an.

Die ganze Bandbreite ist möglich. Wie gehen wir jetzt damit um?

Was macht eine gute Führungskraft für dich aus? Was wünschst du dir von DEINER Führungskraft?

Klarheit? Transparenz? Raum für Kreativität? Einen respektvollen Umgang? Konsequenzen für Kolleginnen und Kollegen, die ihre Arbeit nicht machen? Auch mal Fünfe gerade sein lassen? Verständnis? …. Was ist es?

Die Krux ist, dass der eine etwas anderes erwartet, als die andere und das Führungskräfte Menschen sind, die ihre eigenen Themen, Stärken und Schwächen mitbringen.

Eine gute Führungskraft kennt, meiner Ansicht nach, ihre eigenen Stärken und Schwächen allerdings sehr genau, musste sich deshalb vorab lange mit sich selbst beschäftigen und tut es auch kontinuierlich weiter. Eine gute Führungskraft arbeitet manchmal mit der Kraft ihrer Stärken und manchmal mit Kraft gegen sich selbst und ihre Schwächen, weil sie weiß, dass gerade etwas Bestimmtes von ihr gefordert wird.

Beispiel: Ich kann sehr einfühlsam sein und gut auf Kinder eingehen, das kann dazu führen, dass ich nicht konsequent und klar genug bin. Schon mehr als einmal haben Schülerinnen und Schülern das für sich zu nutzen gewusst (was auch eine Kompetenz ist, nur so nebenbei). Das bedeutet, dass ich manchmal ganz bewusst gegen mich arbeiten muss, um konsequent zu bleiben und Klarheit vorzugeben.

Eine gute Führungskraft erkennt das Potenzial in jeder/m einzelnen Mitarbeiter/in und ermutigt ihn/sie, sich Herausforderungen zu stellen, um sich stetig weiter zu entwickeln. Eine gute Führungskraft setzt klare Grenzen und gibt eine klare Struktur vor, ist aber auch immer offen für Impulse aus dem Team und lässt Raum für Entfaltung. Ein respektvolles Miteinander und die klare Einforderung dessen, sind selbstverständlich für eine gute Führungskraft. Bis hierher sehe ich da keinen Unterschied zwischen der Lehrkraft und der Führungskraft in einem Betrieb, oder?

Liebevolle aber klare Menschenführung ist eine Kunst, wie ich finde und nur wenige haben sie von Natur aus in sich aber so ziemlich jede/r kann sie lernen.

Ich gehöre zu denen, die es sich über Jahre erarbeiten mussten und ich bin stetig weiter dran, denn ich bin noch lange nicht dort wo ich gerne wäre.

Wenn ich das kann, dann kannst du es auch. Wie so oft erfordert es einfach nur Mut, Dranbleiben und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber!

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“Set your spirit free. It’s the only way to be.”

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I want to break free…